Hallo ihr Lieben!
Ich habe ich mich neu angemeldet um mich mit Leidensgenossen auszutauschen und würde mir nun einfach mal gerne meine Kummer von der Seele schreiben.
Das Erwachsenwerden mit einer bipolaren Mutter ist nicht leicht. Es ist viel zu früh. Viel zu hart. Und es fühlt sich an, wie in einer Zwangsjacke zu stecken und dabei gezwungen zu werden, einen Marathon zu laufen. Ein kleines Mädchen voller Hoffnungen und Träume, viel zu klein, viel zu zart, um die dunklen Seiten des Lebens schon zu sehen, zu erleben und ihre Lasten auf den noch viel zu schwachen Schultern tragen zu können.
Seit ich denken kann, hat meine Mutter zwei Gesichter.
Eines, das ist der pure Sonnenschein. Ein wunderbarer Mensch, selbstlos, liebend und stets umsorgend.
Manchmal etwas zu viel. Manchmal viel zu viel.
Die andere Seite ist dunkel, leblos, böse und eiskalt. Ein Gesicht, aus dem jeder noch so kleine Hauch des Lebens entwichen ist. Ein Gesicht, das riesengroß und angsteinflößend auf das kleine, verletzliche Kind wirkt, das auf es angewiesen ist. Das seine Liebe doch so sehr braucht.
Die Symptomatik meiner Mutter lässt sich in etwa so beschreiben: Eine Zeit lang, ein paar Tage, manchmal etwas länger, ist alles in Ordnung. Dann folgt die manische Phase: Sie wird übermütig, befindet sich im ständigen Redefluss, ist voller Tatendrang, wird dabei auch rücksichtslos, überschreitet manchmal soziale Hemmungen und springt von einer tollkühnen Idee in die andere.
In der darauf folgenden Phase, die in der Regel direkt aus der manischen entspringt und oft durch geringste Einflüsse ausgelöst wird, verfällt sie zuerst in unausstehliche Wut, zerstreitet sich mit jedem der ihr nahe steht, vernachlässigt Arbeit und versaut sich mit ihrer Gereiztheit in dieser Phase so ziemlich alles, was nur möglich ist.
Hat sie das erkannt, so folgt die depressive Phase. Stunden und im Extremfall sogar tagelange Heulorgien im Bett und beim wütenden Putzen in der Wohnung, Tränensäcke bis zum Fußboden und ein Gesicht, bei dem jeder Fremde fragt- sofern sie in dieser Phase denn das Haus verlässt- ob denn alles in Ordnung mit ihr sei.
Dass meine Mutter ernsthaft krank ist, das war mir lange Zeit nicht wirklich bewusst. Ich wusste, dass dieses Verhalten nicht normal sein kann, aber einen Namen dafür bekam das Ganze erst, als ich selbst in einer psychosomatischen Klinik vor meiner Psychologin saß und ihr aus meiner Kindheit erzählte.
Wie soll man auch als kleines, ungereiftes Kind wissen, dass es nicht normal ist, wenn sich die Mama stundenlang im Zimmer verschanzt und heult. Dass es unnormal ist, dass sie einen mit Vorwürfen und Schuldgefühlen nur so bombadiert. Dass sie einem die Schuld für alles schlechte in der Welt gibt. Dass man sich anschließend selbst dafür verachtet und dass sie einen anschließend stundenlang, in all seiner kindlichen Verzweiflung- die so unendlich groß sein kann- im Zimmer eingeschlossen lässt. Mit Selbsthass, Bergen von Schulgefühlen, Sorge um die Mutter und unendlicher Wut auf sich selbst. Dass es unnormal ist, dass sie einfach geht und erst spät am Abend wieder heim kommt, um einen mit Verachtung, Liebesentzug und Ignoranz zu bestrafen, bis man sich entschuldigt hat. Entschuldigt dafür, dass man existiert.
Mir ist bewusst, dass mir diese Mauer stets fehlte, die man sich als Angehöriger einer Person mit bipolarer Störung aufbauen sollte. Aber ich habe es einfach nie gelernt. Nie gewusst. Ich war größtenteils als Kind getrennter Eltern mit meiner Mutter allein. Andere umsorgende Familienmitglieder gab es nicht. Niemand, mit dem ich hätte reden können. Und selbst wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich hätte es aus dem Schutzinsinkt meiner Mutter gegenüber nie getan. Ich musste doch auf sie aufpassen.
Ich bin viel zu früh erwachsen geworden. Ich musste viel zu früh erwachsen werden. Heute bin ich 20 und schreibe nun in dieses Forum, weil das Thema leider für mich wieder sehr aktuell geworden ist. Ich erkenne meine Mutter zur Zeit nicht mehr wieder. Aus einer ihrer Phasen heraus ist eine Diskussion entstanden, nicht großes, eigentlich nichts von großer Bedeutung. Wenn sie diese Phase hat, so weiß ich mittlerweile, lasse ich sie am besten für ein paar Tage in Ruhe und ziehe mich zurück, bis alles wieder vorbei ist und sie sich mit der typischen besten Laune wieder bei mir zurück meldet, als wäre nie etwas gewesen. Dem ist diesmal aber nicht so. Noch nie hat meine Mutter mir mit einer solchen Klarheit und bei einem solchen Verstand diese Vorwürfe gemacht. Die depressive Phase müsste schon längst wieder vorüber sein. Seit Wochen haben wir nicht mehr miteinander gesprochen und wenn wir es tun, eskaliert es sofort wieder. Sie beginnt völlig die Kontrolle zu verlieren und wahrlichst zu verzweifeln. Und ich beginne wieder zu glauben, was sie erzählt. Dass ich sie krank mache, dass ich gefühlskalt und ignorant bin. Unsere Beziehung hängt mittlerweile am seidenden Faden. Ich kann das nicht mehr länger ertragen. Nicht jetzt, wo es so groß geworden ist. Ich kann nicht schon wieder die Schuld für etwas auf mich nehmen, für das ich nicht verantwortlich bin.
Ich hoffe, mein Beitrag ist nicht zu vorwurfsvoll geschrieben. Ich möchte niemandem ein schlechtes Gewissen machen, sondern lediglich meine Erfahrungen schildern. Mir ist bewusst, dass es sich bei der Symptomatik um eine Krankheit handelt, für die der Betroffene nicht kann. Ich hoffe, das kommt auch so an.
Ich erhoffe mir keine weltbewegenden Tipps oder Hilfe. Es reicht auch einfach schon, zu wissen, dass ich mit diesem Problem vielleicht nicht die Einzige auf der Welt bin. Und dass sich Zeiten und Menschen vielleicht auch irgendwann einmal ändern können. Auch, wenn es unwahrscheinlich ist. Ohne Einsicht.
Ich habe ich mich neu angemeldet um mich mit Leidensgenossen auszutauschen und würde mir nun einfach mal gerne meine Kummer von der Seele schreiben.
Das Erwachsenwerden mit einer bipolaren Mutter ist nicht leicht. Es ist viel zu früh. Viel zu hart. Und es fühlt sich an, wie in einer Zwangsjacke zu stecken und dabei gezwungen zu werden, einen Marathon zu laufen. Ein kleines Mädchen voller Hoffnungen und Träume, viel zu klein, viel zu zart, um die dunklen Seiten des Lebens schon zu sehen, zu erleben und ihre Lasten auf den noch viel zu schwachen Schultern tragen zu können.
Seit ich denken kann, hat meine Mutter zwei Gesichter.
Eines, das ist der pure Sonnenschein. Ein wunderbarer Mensch, selbstlos, liebend und stets umsorgend.
Manchmal etwas zu viel. Manchmal viel zu viel.
Die andere Seite ist dunkel, leblos, böse und eiskalt. Ein Gesicht, aus dem jeder noch so kleine Hauch des Lebens entwichen ist. Ein Gesicht, das riesengroß und angsteinflößend auf das kleine, verletzliche Kind wirkt, das auf es angewiesen ist. Das seine Liebe doch so sehr braucht.
Die Symptomatik meiner Mutter lässt sich in etwa so beschreiben: Eine Zeit lang, ein paar Tage, manchmal etwas länger, ist alles in Ordnung. Dann folgt die manische Phase: Sie wird übermütig, befindet sich im ständigen Redefluss, ist voller Tatendrang, wird dabei auch rücksichtslos, überschreitet manchmal soziale Hemmungen und springt von einer tollkühnen Idee in die andere.
In der darauf folgenden Phase, die in der Regel direkt aus der manischen entspringt und oft durch geringste Einflüsse ausgelöst wird, verfällt sie zuerst in unausstehliche Wut, zerstreitet sich mit jedem der ihr nahe steht, vernachlässigt Arbeit und versaut sich mit ihrer Gereiztheit in dieser Phase so ziemlich alles, was nur möglich ist.
Hat sie das erkannt, so folgt die depressive Phase. Stunden und im Extremfall sogar tagelange Heulorgien im Bett und beim wütenden Putzen in der Wohnung, Tränensäcke bis zum Fußboden und ein Gesicht, bei dem jeder Fremde fragt- sofern sie in dieser Phase denn das Haus verlässt- ob denn alles in Ordnung mit ihr sei.
Dass meine Mutter ernsthaft krank ist, das war mir lange Zeit nicht wirklich bewusst. Ich wusste, dass dieses Verhalten nicht normal sein kann, aber einen Namen dafür bekam das Ganze erst, als ich selbst in einer psychosomatischen Klinik vor meiner Psychologin saß und ihr aus meiner Kindheit erzählte.
Wie soll man auch als kleines, ungereiftes Kind wissen, dass es nicht normal ist, wenn sich die Mama stundenlang im Zimmer verschanzt und heult. Dass es unnormal ist, dass sie einen mit Vorwürfen und Schuldgefühlen nur so bombadiert. Dass sie einem die Schuld für alles schlechte in der Welt gibt. Dass man sich anschließend selbst dafür verachtet und dass sie einen anschließend stundenlang, in all seiner kindlichen Verzweiflung- die so unendlich groß sein kann- im Zimmer eingeschlossen lässt. Mit Selbsthass, Bergen von Schulgefühlen, Sorge um die Mutter und unendlicher Wut auf sich selbst. Dass es unnormal ist, dass sie einfach geht und erst spät am Abend wieder heim kommt, um einen mit Verachtung, Liebesentzug und Ignoranz zu bestrafen, bis man sich entschuldigt hat. Entschuldigt dafür, dass man existiert.
Mir ist bewusst, dass mir diese Mauer stets fehlte, die man sich als Angehöriger einer Person mit bipolarer Störung aufbauen sollte. Aber ich habe es einfach nie gelernt. Nie gewusst. Ich war größtenteils als Kind getrennter Eltern mit meiner Mutter allein. Andere umsorgende Familienmitglieder gab es nicht. Niemand, mit dem ich hätte reden können. Und selbst wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, ich hätte es aus dem Schutzinsinkt meiner Mutter gegenüber nie getan. Ich musste doch auf sie aufpassen.
Ich bin viel zu früh erwachsen geworden. Ich musste viel zu früh erwachsen werden. Heute bin ich 20 und schreibe nun in dieses Forum, weil das Thema leider für mich wieder sehr aktuell geworden ist. Ich erkenne meine Mutter zur Zeit nicht mehr wieder. Aus einer ihrer Phasen heraus ist eine Diskussion entstanden, nicht großes, eigentlich nichts von großer Bedeutung. Wenn sie diese Phase hat, so weiß ich mittlerweile, lasse ich sie am besten für ein paar Tage in Ruhe und ziehe mich zurück, bis alles wieder vorbei ist und sie sich mit der typischen besten Laune wieder bei mir zurück meldet, als wäre nie etwas gewesen. Dem ist diesmal aber nicht so. Noch nie hat meine Mutter mir mit einer solchen Klarheit und bei einem solchen Verstand diese Vorwürfe gemacht. Die depressive Phase müsste schon längst wieder vorüber sein. Seit Wochen haben wir nicht mehr miteinander gesprochen und wenn wir es tun, eskaliert es sofort wieder. Sie beginnt völlig die Kontrolle zu verlieren und wahrlichst zu verzweifeln. Und ich beginne wieder zu glauben, was sie erzählt. Dass ich sie krank mache, dass ich gefühlskalt und ignorant bin. Unsere Beziehung hängt mittlerweile am seidenden Faden. Ich kann das nicht mehr länger ertragen. Nicht jetzt, wo es so groß geworden ist. Ich kann nicht schon wieder die Schuld für etwas auf mich nehmen, für das ich nicht verantwortlich bin.
Ich hoffe, mein Beitrag ist nicht zu vorwurfsvoll geschrieben. Ich möchte niemandem ein schlechtes Gewissen machen, sondern lediglich meine Erfahrungen schildern. Mir ist bewusst, dass es sich bei der Symptomatik um eine Krankheit handelt, für die der Betroffene nicht kann. Ich hoffe, das kommt auch so an.
Ich erhoffe mir keine weltbewegenden Tipps oder Hilfe. Es reicht auch einfach schon, zu wissen, dass ich mit diesem Problem vielleicht nicht die Einzige auf der Welt bin. Und dass sich Zeiten und Menschen vielleicht auch irgendwann einmal ändern können. Auch, wenn es unwahrscheinlich ist. Ohne Einsicht.