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Neu hier... Vater seit 18 Jahren erkrankt (11 Antworten)

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Hallo an die Mitglieder dieses Forums!

Wie im Thema erwähnt ist mein Vater seit langer Zeit erkrankt. Ich bin heute 32 Jahre alt. Alle 2 Jahre konnten wir darauf warten, dass es erneut losgeht. Die Krankheitsphasen sind inzwischen so lang ...letzte ca. 1,5 Jahre. Inzwischen ist er in einer Depression. Ich selbst habe seit 3 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm. Ich war die die noch von der ganzen Familie übrig geblieben ist..mit ihm zum Arzt...Gespräche ohne Ende...immer auf dem Sprung...immer die Sorgen im Kopf..mein Bruder hat vor langer Zeit für sich entschieden, dass er es nicht mehr will! Bei mir als Papakind hat das eine gaanze Weile gedauert, bis ich merkte es tut mir einfach nicht gut und ich kann auch nicht´s ändern. Es ist trotzdem hart..ich vermisse ihn jeden Tag!! Mein Vater ist bis heute nicht krankheitseinsichtig! Wie oft hat er mir etwas vorgespielt...wie oft hab ich mit ihm in der Krankenhausaufnahme gesessen...und wie oft stand er am nächsten Tag direkt wieder vor der Tür..ich kann es nicht mehr zählen...ich habe einmal angefangen alles aufzuschreiben...ob es hilft...jedenfalls liegt es ungelesen auf dem Pc...in der Hoffnung auf Erleichterung poste ich den Text jetzt mal...vielen Dank für´s lesen...

Warum willst du dass alles aufschreiben frage ich mich. Um es aus meinen Erinnerungen zu löschen? Hoffe ich! Nur blöd, dass du dann alles schwarz auf weiß hast, denke ich.

Zum Verarbeiten...hört sich an wie zu verdauen. Schwere Kost musst man verdauen! Nicht doch Erlebnisse. Genau das ist es aber, nur nicht in Form eines Gerichtes das in dicker Sahnesoße schwimmt sondern in Form von mit Sahnesoße überzogenden Gedanken, Erinnerungen, gespeicherten Gefühlen die beim Gedanken daran sich sofort wieder wie frisch gefühlt anfühlen. Darf´s noch etwas mehr sein?

"Irgendwann rufe ich dich an, während ich eine Waffe an meine Schläfe drücke und dann hast du genau fünf Sekunden Zeit mir zu sagen, warum ich nicht abdrücken soll"! Diese Szenerie hat sich wie ein Brandzeichen in meine Erinnerung gebrannt wie in die Haut einer Kuh! Ich bin 16 Jahre alt und mein Vater sitzt mir mit wirrem Blick im Hotelrestauant gegenüber und zündet sich dabei gönnerhaft eine von Millionen nacheinander vollgenden Zigaretten an. Er scheint davon überzeugt zu sein mir unbedingt das Gefühl geben zu müssen so minderwertig und nichtswissend zu sein dass er mich ausserstande sieht eben in dieser Situation, in den fünf Sekunden die passenden Antworten geben zu können. Ich bin sprachlos und meine Augen füllen sich augenblicklich mit einem Schwall Tränen. Das hat er schon immer gut gekonnt mich mit einem Satz ins gedankliche "Aus" zu schicken, gekonnt und gewollt wenn ich andere Situationen bedenke. Als wenn er dieses Gefühl brauchte über all den Dingen zu stehen, andere so richtig niederzumachen damit er immer weiter hochsteigen kann auf seinen eh schon viel zu großen Berg an angehäuften eingebildeten Denkens "I am the greatest"! "Nun weine doch nicht, wird schon nicht so schwer werden". "Die Macht ist mit dir"! Er selbst, sofern ich durch meine verschwommenen Augen überhaupt was sehen kann, hat auch Tränen in den Augen, nur ist er ein Meister im Unterdrücken jeglicher Gefühle und ich die die bei den Bundesjugendspielen der Gefühlsunterdrücker nur mit einer Teilnehmerurkunde nach Hause geht.

Das war mitunter das schlimmste Erlebnis mit meinem Vater in einer manischen Phase. Hallo mein Name ist ..... und mein Vater ist Manisch-depressiv! Der Selbsthilfegruppenslogan schlechthin! Manisch-depressiv ist jetzt die Bipolare Störung. Ich finde Manisch-depressiv ist viel passender so kann man sich, auch wenn man noch nichts über diese Krankheit weiß ein kleines Bild darüber machen.


Manisch:
Wer hat noch nicht, wer will noch mal, einmal Hirn schwindelig drehen gratis! Ich bin der schärfste unter der Sonne. Die Rolex klar nehm ich, wird sich wunderbar im Licht der Sonne auf einer der zwei Terassen meiner neuen Dachgeschosswohnung mit 6 Zimmern spiegeln. Und von oben guck ich mir meinen neuen Jaguar an, wie er da steht und ebenfalls funkelt. Überhaupt alles funkelt: Mein Spiegelbild, sämtliches neu angeschafftes Musikequiment, die Frau die ich gestern erst kennengelern hab und als Stiefmutter vorstelle, die Straßen, die Geschäfte einfach alles blitzt und funkelt und genau da fühle ich mich sauwohl. Hier ganz oben auf meiner Privatwolke!

Depressiv:
Die Fahrt ist zu Ende, wegen Wartungsarbeiten geschlossen. Ein leises Wimmern am Telefon ausser Stande einen Satz, gar ein Wort in die zitternde Stimme zu packen und es einfach zu sagen, in der Ecke sitzend zwischen zusammen geklauten Zeugs, zerissener dreckiger Kleidung, in einer kleinen dunklen Wohnung die sein Inneres nach aussen zukehren scheint, die Füße, nein der ganze Mensch kaputtgelaufen vom langen hetzen nach allem was funkelt, sich selbst fragend ob er all die übriggebliebenen Tabletten Lithium einfach nehmen soll und den Spuk damit beendet.

Das folgende stammt aus Erzählungen meiner Mutter. Wir waren noch zu klein und merkten die langsame Veränderung unseres Vaters nicht. An einem Morgen im Jahr 1998 stand mein Vater nicht aus dem Bett auf. Er lag stundenlang da und starrte an die Decke. Er war kaum anspechbar. Was in seinen Gedanken umher ging weiß er heute nicht mehr. Wer meinen Vater kannte der wäre sofort auf die Idee gekommen dass mit ihm etwas nicht stimmen konnte.

Mein Papa (so wie er damals war):

Ein absoluter Familienmensch und immer ein liebevoller Vater für uns. Wenn wir Kinder etwas angestellt hatten und das Gewissen drängte auf Reinigung, dann war er es wo wir uns zuerst hintrauten. Seine verständnissvollen Reaktionen und sein "Nein, wir sind euch nicht böse. Gut, dass wir es jetzt wissen" waren die Bestätigung dafür immer ein offenes Ohr zu haben wenn man es brauchte. Durch seine über 30 Jahre andauernde Arbeit als Erzieher war er wohl schlimmere Dinge gewohnt, die Kinder so anstellen konnten. Wir waren oft eifersüchtig auf die "Heimkinder" weil die eine ganze Menge >>unserer<< Aufmerksamkeit abbekamen. Kein Wunder waren doch diverse Nachtschichten und ganze Urlaube mit den Kindern im Programm. Und immer wollte Eines von ihnen dass Papa es mit zu uns nach Hause nimmt. Sogar in >>unseren<< Urlauben waren immer mal wieder welche dabei! Ja, unsere Urlaube die habe ich bis heute alle nicht vergessen. Unsere Eltern gaben uns die Möglichkeit sehr viel von der Welt zu sehen. Bei meinem ersten Flug nach Cran Canaria konnte ich noch nicht mal laufen und mein Bruder lernte das Laufen teilweise in Griechenland. Unsere Geburtstage waren regelrechte Feste, ganz egal ob es nun ein runder war oder nicht. Unser Vater war immer der Animateur, der sich lustige Spiele Ausdenker, der Geschichtenerzähler, der mit der Gitarre am Bett Sitzer und dabei "Blowing in the wind" Spieler bis wir einschliefen, der den alle um Rat fragten, der den alle in der Gegend kannten und schätzten. Er hatte sogar nebenbei ein Musikstudio eröffnet wo die verschiedensten Künstler ihre Musik aufnahmen und wie nebenbei auch noch Kinderhörspiele selbst schrieb und aufnahm. Wie waren immer die Ersten die neue Geschichten über z.B. Katzen nachts allein im Kaufhaus hörten.

Ich könnte an dieser Stelle bestimmt noch ein paar einhundert Sätze schreiben, ich denke das dieser Absatz aber genug sein soll damit später die doch teilweise extremen Veränderungen klarer sind. Man sagt dass mit jeder Krankheitsphase der Charakter eines Betroffenen sich ein wenig mehr verändert. Ich würde anhand meiner Erfahrung sogar sagen das Teile des Charakters "sterben"!

Der Morgen 1998

Inzwischen war mein Onkel eingetroffen, der jüngste von drei Brüdern und Bruder meines Vaters. Meine Mutter hatte ihn wohl in Panik angerufen. "Hier stimmt etwas nicht, bitte komm sofort her"! Sie wussten sich nicht anders zu helfen und fuhren erst einmal zusammen in die Notaufnahme. Ich kann nicht mehr zählen wie oft ich in den letzten Jahren mit meinem Vater auf den extrem unbequemen Stühlen der Notaufnahmen gesessen habe. Wieviele Male mein Vater sagen sollte welches Datum heute ist, wie er sich fühlt und wieviele Male ich es einfach lächerlich fand das die Ärzte ihn mit dem 2 Fingerklopfsystem auf dem Bauch rumdrückten obwohl wir eindeutig gesagt haben er hat was am Kopf! Deshalb weiß ich heute wie es damals wohl ablief. Nur wusste zu diesem Zeitpunkt niemand etwas mit der Diagnose "Manisch-depressiv" anzufangen. Möglicher Grund: Vererbung. Möglicher Ausbruchsgrund: Der Tod meines Bruders. Das war allerdings schon Jahre her. Nicht dass ich den Verlust eines Kindes in seinem Umfang an maßloser Trauer unterschätzen möchte und trotzdem so schwer diese Zeit gewesen sein muss, so konnte sich doch keiner vorstellen dass meinen Vater dieses traurige Ereigniss auf diese Art und Weise und soviel später einholte. Nicht mal meine Mutter. Diese erste depressive Phase dauerte etwa 3 Monate und dann war zunächst alles wieder in Ordnung in unserer Welt. Mein Vater beschloss wohl auch in dieser Zeit dass Tabletten nehmen eher lästig ist und er nicht krank war.


In der nächsten Zeit beschäftigte sich meine Familie viel mit der Diagnose. Nur mein Vater nicht. Viel war damals noch nicht bekannt und vieles ist es auch heute noch nicht. Diese Form der Krankheit war erblich bedingt. Meine Mutter hatte oft mit meinem Vater über dessen Kindheit gesprochen bzw. sie hatte einen Teil mitbekommen. Meine Eltern lernten sich mit 16 Jahren kennen. Da war mein Großvater schon tot. Und eben dieser Großvater hatte genau Dasselbe, nur steckte er in manischen Phasen fest. Die sich in erster Linie an seiner Familie entluden. Die Kinder wurden geschlagen, mein Vater hielt als ältester immer zwei Mal die Wangen hin damit die Kleinen nicht allzu viel abbekamen. Er schlief sogar zeitweise mit einer Axt unterm Kopfkissen, die er aber nie benutzte. Mein Großvater hat sich irgendwann mit einer Überdosis Tabletten das Leben genommen. Mehr weiß ich über diese furchtbare Zeit die für meine Oma, meine Tante, meine Onkel und meinen Vater die Hölle gewesen sein muss nicht. Ich denke diese Geschichte wurde uns auch aus gutem Grund nicht detailliert erzählt.....to be continued

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