Moin liebe Foris,
mir ist in der langen Zeit meiner Zugehörigkeit zum Bipolar-Forum aufgefallen, dass sowohl Angehörige als auch Betroffene sehr oft unterschätzen, wie lange es dauert, sich von einer Depression und/oder einer Manie seelisch, geistig und auch körperlich zu erholen. Selbst nach einer kurz angelaufenen hypomanen Phase, die medikamentös schnell ausgebremst werden konnte, ist erst einmal alles "aus der Spur" - nicht nur im Organismus. Es unversichert und kratzt auch am mühsam wieder aufgebauten Selbstvertrauen und bei den Angehörigen, darauf zu vertrauen, dass der Erkrankte einen Weg aus der Krankheit findet. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Zu Rapid cycling und Mischphasen kann ich nichts sagen, weil ich sie aus eigenem Erleben nicht kenne. Doch ich kann mir vorstellen, dass sie bedeutend belastender sind und umso längere Erholungsphasen bräuchten, die aufgrund der schnellen Wechsel nicht eintreten.
Aus meiner Sicht entsteht aus der unrealistischen Einschätzung der Erholungsdauer, die es nach den Krankheitsphasen braucht, gepaart mit dem großen Wunsch, dass es schnell endlich wieder besser gehen möge, viel Frust und auch Leid, was letztendlich zu Enttäuschung und Resignation führen kann - sowohl bei dem Erkrankten selbst als auch bei den Angehörigen.
Eine Genesung ohne Rückfälle gibt es höchst selten.
Rückfälle gehören dazu, auf der Suche nach dem Umgang mit der Erkrankung.
Es gilt, zu vertrauen - sich selbst und den anderen - und der Realität mutig ins Auge zu schauen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich - im Rückblick von 11 Jahren - wie lange es dauern kann, bis sich Körper, Geist und Seele von den Krankheitsphasen erholt haben. An Stabilität ist in der ersten Zeit nach den Krankheitsphasen überhaupt nicht zu denken. Ich habe mir mühsam die Basic's zurückerkämpfen müssen: atmen, essen, schlafen, ... atmen, essen,schlafen ..., atmen ...
Erst als das Lebensnotwendigste wieder zuverlässig funktionierte, konnte die Genesung fortschreiten. Mit einer gehörigen Portion Selbstdisziplin und Glück ist es mir bedeutend später dann gelungen, längerfristig stabil zu werden.
Ob es eine dauerhafte Stabilität bei der Bipolaren Störung überhaupt geben kann, weiß ich nicht. Ich würde es mir und allen anderen Betroffenen und Angehörigen wünschen.
Mir persönlich haben auf meinem langen Weg vom akuten Kranksein bis zur Stabilität zwei Aussagen sehr geholfen, wenn mich die Ungeduld plagte. Ich hoffe, dass ich sie hier aufschreiben darf und die Admins sie nicht editieren müssen: "Welche Wunde heilte je über Nacht!?" und "Das Grad wächst auch nicht schneller, wenn Du an den Halmen ziehst!"
Im Rückblick:
Ich war 4 Jahre lang - mit kurzen Unterbrechungen - akut erkrankt, uneinsichtig als Drehtürpatientin in Psychiatrien. Im Anschluß vegetierte ich 5 Jahre lang, weiterhin unbehandelt außerhalb von Kliniken, als Wrack. Ich war seelisch, geistig und auch körper-
lich vollkommen am Ende und blieb ca. 5 Jahre lang in diesem Zustand. Es war eine Art Stillstand. Mein ansonsten unbändiger Lebenswille war mir abhanden gekommen. Ich hatte überlebt ...mehr nicht.
Ende 2001 kam aufgrund der äußeren Lebensumstände, in denen ich lebte, Bewegung in den zuvor beschriebenen Stillstand. Ich wurde depressiv und erkannte im März 2002, dass ich aus dieser Depression, ohne Hilfe von außen nicht mehr herausfinden würde. Ich konnte zwar nicht leben, doch sterben wollte ich dann auch nicht!
Ich überwand meine Ängste vor Ärzten und Psychiatrien und bat erstmals aus freien Stücken selbst um Hilfe in einer Klinik, die ich mir ausgesucht hatte und ich nahm erstmals bereitwillig Medikamente. In verhältnismäßig kurzer Zeit war ich nach der Ein-
nahme eines AD's aus der Depression in eine Manie geswitcht. Nach 9 Jahren wurde dann endlich die Diagnose "Bipolare Störung" gestellt. Ich wurde auf Lithium - als Phasenprophylaxe - eingestellt und bekam Zyprexa zum Schutz vor Psychosen verordnet. Ich hatte das große Glück, dass die Medikamente gleich anschlugen und ich keine Nebenwirkungen hatte.
Mitte Mai 2002 wurde ich aus einer Klinik offiziell als genesen entlassen.
Die Medikamente haben mich befähigt, den Weg zurück ins Leben zu suchen und letztendlich auch zu finden.
Nach ca. einem Jahrzehnt uneinsichtig krank, habe ich ziemlich genau 6 Jahre gebraucht, um mich von den Manien, Psychosen und Depressionen zu erholen. In dieser Zeit lebte ich sehr zurückgezogen inmitten der Natur, die sich als sehr heilend auswirkte. Ich schrieb jahrelang große Kladden voll mit allem, was mir in den Kopf kam und mich bewegte. Das hat mir geholfen, mich innerlich wieder zu sortieren und langfristig dazu beigetragen, dass ich die Endlosdenkerei über das Elend der Vergangenheit loslassen konnte.
Als diese Aufarbeitungs- und Erholungsphase abgeschlossen war, zog ich um in eine Kleinstadt. Ich hatte das Bedürfnis, wieder mehr am Leben teilzuhaben. Auch hier habe ich wieder bei Null angefangen und ausprobieren müssen, wie ich mich zurecht finde, "mittendrin im Leben".
Nach 5 Jahren - mit Medikamenten, ohne Krankheitsphasen - habe ich getestet, wie belastbar ich bin. Ich habe herausgefunden, dass ich 2 Stunden konzentriert körperlich arbeiten kann, zweimal pro Woche. Das überanstrengt mich nicht und tut mir sogar gut.
Da ich von meiner Ausbildung und früheren Berufstätigkeit eine Kopfarbeiterin bin, habe ich auch hier ausprobiert, was ich heute noch leisten kann. Zu meiner Freude habe ich festgestellt, dass ich nichts verlernt habe. Es klappt allerdings nur, wenn ich ausreichend Zeit für die Abwicklung der Arbeiten habe und mir diese frei einteilen kann.
Da auch mit zunehmendem Alter die Fähigkeiten und Kräfte nachlassen, ist es mir heute nicht mehr möglich, zu unterscheiden, welche Beeinträchtigungen dem Alter geschuldet sind und welche Einschränkungen auf die Bipolare Störung zurückzuführen sind. Seit dem vergangenen Jahr bin ich Altersrentnerin und muss nun auch nicht mehr erklären, weshalb ich frühberentet bin. Auch das empfinde ich als entlastend.
Ich wünsche Euch allen einen sonnigen, entspannten Sonntag.
mir ist in der langen Zeit meiner Zugehörigkeit zum Bipolar-Forum aufgefallen, dass sowohl Angehörige als auch Betroffene sehr oft unterschätzen, wie lange es dauert, sich von einer Depression und/oder einer Manie seelisch, geistig und auch körperlich zu erholen. Selbst nach einer kurz angelaufenen hypomanen Phase, die medikamentös schnell ausgebremst werden konnte, ist erst einmal alles "aus der Spur" - nicht nur im Organismus. Es unversichert und kratzt auch am mühsam wieder aufgebauten Selbstvertrauen und bei den Angehörigen, darauf zu vertrauen, dass der Erkrankte einen Weg aus der Krankheit findet. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Zu Rapid cycling und Mischphasen kann ich nichts sagen, weil ich sie aus eigenem Erleben nicht kenne. Doch ich kann mir vorstellen, dass sie bedeutend belastender sind und umso längere Erholungsphasen bräuchten, die aufgrund der schnellen Wechsel nicht eintreten.
Aus meiner Sicht entsteht aus der unrealistischen Einschätzung der Erholungsdauer, die es nach den Krankheitsphasen braucht, gepaart mit dem großen Wunsch, dass es schnell endlich wieder besser gehen möge, viel Frust und auch Leid, was letztendlich zu Enttäuschung und Resignation führen kann - sowohl bei dem Erkrankten selbst als auch bei den Angehörigen.
Eine Genesung ohne Rückfälle gibt es höchst selten.
Rückfälle gehören dazu, auf der Suche nach dem Umgang mit der Erkrankung.
Es gilt, zu vertrauen - sich selbst und den anderen - und der Realität mutig ins Auge zu schauen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich - im Rückblick von 11 Jahren - wie lange es dauern kann, bis sich Körper, Geist und Seele von den Krankheitsphasen erholt haben. An Stabilität ist in der ersten Zeit nach den Krankheitsphasen überhaupt nicht zu denken. Ich habe mir mühsam die Basic's zurückerkämpfen müssen: atmen, essen, schlafen, ... atmen, essen,schlafen ..., atmen ...
Erst als das Lebensnotwendigste wieder zuverlässig funktionierte, konnte die Genesung fortschreiten. Mit einer gehörigen Portion Selbstdisziplin und Glück ist es mir bedeutend später dann gelungen, längerfristig stabil zu werden.
Ob es eine dauerhafte Stabilität bei der Bipolaren Störung überhaupt geben kann, weiß ich nicht. Ich würde es mir und allen anderen Betroffenen und Angehörigen wünschen.
Mir persönlich haben auf meinem langen Weg vom akuten Kranksein bis zur Stabilität zwei Aussagen sehr geholfen, wenn mich die Ungeduld plagte. Ich hoffe, dass ich sie hier aufschreiben darf und die Admins sie nicht editieren müssen: "Welche Wunde heilte je über Nacht!?" und "Das Grad wächst auch nicht schneller, wenn Du an den Halmen ziehst!"
Im Rückblick:
Ich war 4 Jahre lang - mit kurzen Unterbrechungen - akut erkrankt, uneinsichtig als Drehtürpatientin in Psychiatrien. Im Anschluß vegetierte ich 5 Jahre lang, weiterhin unbehandelt außerhalb von Kliniken, als Wrack. Ich war seelisch, geistig und auch körper-
lich vollkommen am Ende und blieb ca. 5 Jahre lang in diesem Zustand. Es war eine Art Stillstand. Mein ansonsten unbändiger Lebenswille war mir abhanden gekommen. Ich hatte überlebt ...mehr nicht.
Ende 2001 kam aufgrund der äußeren Lebensumstände, in denen ich lebte, Bewegung in den zuvor beschriebenen Stillstand. Ich wurde depressiv und erkannte im März 2002, dass ich aus dieser Depression, ohne Hilfe von außen nicht mehr herausfinden würde. Ich konnte zwar nicht leben, doch sterben wollte ich dann auch nicht!
Ich überwand meine Ängste vor Ärzten und Psychiatrien und bat erstmals aus freien Stücken selbst um Hilfe in einer Klinik, die ich mir ausgesucht hatte und ich nahm erstmals bereitwillig Medikamente. In verhältnismäßig kurzer Zeit war ich nach der Ein-
nahme eines AD's aus der Depression in eine Manie geswitcht. Nach 9 Jahren wurde dann endlich die Diagnose "Bipolare Störung" gestellt. Ich wurde auf Lithium - als Phasenprophylaxe - eingestellt und bekam Zyprexa zum Schutz vor Psychosen verordnet. Ich hatte das große Glück, dass die Medikamente gleich anschlugen und ich keine Nebenwirkungen hatte.
Mitte Mai 2002 wurde ich aus einer Klinik offiziell als genesen entlassen.
Die Medikamente haben mich befähigt, den Weg zurück ins Leben zu suchen und letztendlich auch zu finden.
Nach ca. einem Jahrzehnt uneinsichtig krank, habe ich ziemlich genau 6 Jahre gebraucht, um mich von den Manien, Psychosen und Depressionen zu erholen. In dieser Zeit lebte ich sehr zurückgezogen inmitten der Natur, die sich als sehr heilend auswirkte. Ich schrieb jahrelang große Kladden voll mit allem, was mir in den Kopf kam und mich bewegte. Das hat mir geholfen, mich innerlich wieder zu sortieren und langfristig dazu beigetragen, dass ich die Endlosdenkerei über das Elend der Vergangenheit loslassen konnte.
Als diese Aufarbeitungs- und Erholungsphase abgeschlossen war, zog ich um in eine Kleinstadt. Ich hatte das Bedürfnis, wieder mehr am Leben teilzuhaben. Auch hier habe ich wieder bei Null angefangen und ausprobieren müssen, wie ich mich zurecht finde, "mittendrin im Leben".
Nach 5 Jahren - mit Medikamenten, ohne Krankheitsphasen - habe ich getestet, wie belastbar ich bin. Ich habe herausgefunden, dass ich 2 Stunden konzentriert körperlich arbeiten kann, zweimal pro Woche. Das überanstrengt mich nicht und tut mir sogar gut.
Da ich von meiner Ausbildung und früheren Berufstätigkeit eine Kopfarbeiterin bin, habe ich auch hier ausprobiert, was ich heute noch leisten kann. Zu meiner Freude habe ich festgestellt, dass ich nichts verlernt habe. Es klappt allerdings nur, wenn ich ausreichend Zeit für die Abwicklung der Arbeiten habe und mir diese frei einteilen kann.
Da auch mit zunehmendem Alter die Fähigkeiten und Kräfte nachlassen, ist es mir heute nicht mehr möglich, zu unterscheiden, welche Beeinträchtigungen dem Alter geschuldet sind und welche Einschränkungen auf die Bipolare Störung zurückzuführen sind. Seit dem vergangenen Jahr bin ich Altersrentnerin und muss nun auch nicht mehr erklären, weshalb ich frühberentet bin. Auch das empfinde ich als entlastend.
Ich wünsche Euch allen einen sonnigen, entspannten Sonntag.