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Wege aus sozialer Isolation und Traurigkeit? (14 Antworten)

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Hallo,


Der Inhalt des folgenden Textes hängt nicht unmittelbar mit der bipolaren Störung zusammen. Eher mit Depression, und das auch nur in gewisser Hinsicht.

Ich denke aber, dass einge von euch etwas dazu sagen könnten.
Meine soziale Isolation nimmt mit den Jahren immer mehr zu. Ich leide sehr unter diesem Zustand und bin sehr traurig über mein ungelebtes Leben.
Es handelt sich bei diesem Empfinden auch nicht um eine vorübergehende Depression. Ich lese hier oft, dass irgendwann jede Depression vorbei ist. Über Jahre habe ich diverse Medikamente geschluckt, auch Antidepressiva, viele verschiedene, auch über lange Zeiträume kontinuierlich.

Meine Traurigkeit bezieht sich auf meine äußeren Lebensumstände, die anders sind als ich es mir gewünscht und erhofft habe.
Ich bin jetzt Mitte dreißig, habe keinen Partner, keine Kinder, hatte noch nie einen versicherungspflichtigen Arbeitsvertrag. Kaum noch Freunde. Bis auf meine Eltern keine Familie. Ich bin sehr einsam.
Freundschaften gingen mit Ende des Studiums langsam auseinander. Viele zogen in eine andere Stadt, wenige sind noch hier, stehen im Beruf, haben Familie und kaum Zeit. Ich versuche den Kontakt zu einigen zu halten, aber es fällt auch schwer. Es gibt noch einen überschaubaren Bekanntenkreis, ich habe auch versucht, zu manchen Leuten von früher wieder Kontakt aufzunehmen. Ein kurzer mailwechsel - dann in der zweiten Nachricht die Frage nach meiner beruflichen Situation und dann Schweigen.
Auch ist es schwierig, mal jemanden nach Hause
einzuladen. Ich habe eine sehr kleine Wohnung, die aber ordentlich, sauber, hell und eigentlcih auch gemütlich ist. Wenn aber jeder der Menschen, die meine Wohnung betreten, sein Bedauern ausdrücken muss und meint, er könne vom Platz her so eingeschränkt nicht leben usw.... - wenn ich dann sage, dass ich mich eigentlich ganz wohl fühle bis auf ein paar Abstriche, kommen Sprüche wie "Du bist ja auch so anspruchslos". Das senkt dann auch die Motivation nach Kontakten zu den Leuten von früher. Davon abgesehen möchte ich auch nicht immer um Zeit betteln.
Neue Freunde kennenzulernen ist schwierig. Habe sogar schon Anzeigen für Suche nach Freizeitpartnern in onlineportals meiner Stadt gestellt. Da kamen nur wenige Meldungen, sehr seltsame. Einen traf ich - aber mit Menschen, die nachmittags nach Schnaps riechen und auch sonst sehr suspekt sind, möchte ich auch nicht näher bekannt sein.

Ehrenamt, sportverein etc. - nichts hat dabei geholfen, engere Freundschaften zu knüpfen. Früher ergaben sich Bekanntschaften von selbst. Man lernte über andere Leute wieder Leute kennen usw. Doch wenn die Leute dann alle in Lohn und Brot stehen und Familien gründen, ist der Fokus natürlich ein anderer. Man hat definitiv weniger Zeit und vielleicht auch weniger das Bedrüfnis nach einem festen aktiven Freundeskreis. Das finde ich auch ganz normal und nachvollziehbar. Mir würde es wahrscheinlich genauso gehen.
Zudem können Freunde auch nicht ein ganzes Leben ausfüllen. Sie wären aber ein kleiner Lichtblick.

Was mich am meisten bedrückt, ist meine Einsamkeit, dieses Alleinsein. Ich habe auch finanziell kaum Möglichkeiten, dann alleine etwas zu unternehmen. Urlaub oder ähnliches. Aber es ist auch viel schöner, gemeinsam Dinge zu erleben. Ich wünschte mir auch einmal eine bezahlte Arbeit mit Arbeitsvertrag zu haben. Nirgends einen Weg ins Leben zu finden, ist schwer zu ertragen.
Ich habe gegenwärtig immerhin noch einmal die Möglichkeit einer beruflichen Zusatzqualifikation, aber ich bin auch des Qualifizierens müde. Ich ziehe es durch, weil ich als Quereinsteiger schnell durch sein werde. Ob es noch etwas nützt, wird sich zeigen. Es ist eher eine Verzweiflungstat. Gar nichts tun, ist noch schlimmer. Doch wenn das erledigt ist, wird einfach irgendwann dieser Punkt kommen. Jetzt bin ich wenigstens beschäftigt. Aber meine Mitstreiter sind natürlich deutlich jünger als ich - wenige ältere findet man. Mit denen komme ich auch schnell ins Gespräch, auch mit jüngeren, aber es ist nicht mehr meine Welt. Zwar falle ich irgendwie äußerlich nicht als wesentlich älter auf, aber eigentlich kommt es mir gar nicht darauf an. Ich bin so alt wie ich bin. Doch auch unter den Älteren ein Außenseiter. Es gibt dort niemanden, der weder Familie noch ein Arbeitsleben zuvor hatte.

Doch auch das ist nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass ich mich selbst nicht wohlfühle in meinem Leben.
Doch wenn ich dann an der Uni bin, merke ich, wie belebend soziale Kontakte sind, wie schön es ist, mit Menschen zu reden und zu lachen. Das sind kurze Momente.

Ich bin nicht depressiv in dem Sinne, dass mir Antrieb fehlen würde, oder Begeisterung oder Lust an den Dingen. Ich bin auch nicht kontaktscheu, verschlossen oder meide Gesellschaft. Man merkt mir meine Traurigkeit draußen auch nicht an.
Für mich fühlt es sich so an, dass ich gern teilhaben würde aber nicht darf. Ich weiß einfach nicht, wie ich mein Leben zukünftig gestalten soll. Fernsehen und schlafen...viel mehr ist da ja nicht, ohne soziale Einbindung.
Es ist nicht mein Problem, nicht allein sein zu können. Früher bin ich gern auch mal allein spazieren gegangen. Allerdings als Ausgleich zum sonstigen leben, als kleiner Rückzug. Das permanente Alleinsein ist es, was ich nicht ertragen kann. Es gibt mir nichts, den ganzen Tag zu lesen, Klavier zu spielen oder spazieren zu gehen. Mir fehlen Mitmenschlichkeit, Liebe, Wärme, Gebrauchtsein, Zuneigung, eine Aufgabe, ein Platz in der Gesellschaft. Ein Platz, an dem man sich willkommen weiß.

Kinder waren immer mein Traum. Wenn ich durch den Herbstwald gehe und die Kastanien sehe, dann erinnere ich mich daran, wie wir früher als Kinder Kastanien sammelten und daraus kleine Tiere bastelten. Das hätte ich auch gern mit meinen Kindenr gemacht, oder Plätzchen backen in der Weihnachtszeit. Nochmal die Welt entdecken. Etwas weitergeben von der Liebe, die man selbst empfangen hat. Und wieder geliebt werden.

Ich fühle mich so verlassen. Es ist keine "Phase". Alle Hoffnung in die Zukunft zu verlegen, fällt mir schwer. Sicher kann man nicht wissen, was das Leben noch geben wird. Jedoch verliert man nach Jahren des Hoffens den Glauben.
Ich habe beides versucht: sich auf die Gegenwart konzentrieren, aktiv werden, gezielt etwas tun. oder aber: die Gegenwart Gegenwart sein zu lassen und zu hoffen, dass sich Dinge ergeben werden.

Entweder es wird besser oder eben nicht.
An die Menschen, denen es vielleicht ähnlcih geht: Woraus zieht ihr eure Freude im Leben?
Dankbar kann ich für vieles sein - ich weiß, dass es mir besser geht als vielen Menschen auf der Welt. Aber es nimmt mir nicht meine Traurigkeit. Es gibt mir keine Fröhlichkeit, nur so etwas wie Demuth und manchmal ein schlechtes Gewissen, da ich mich vielleicht schlechter fühle als mancher Pflegefall oder Menschen in anderen schwerern Situationen.

Es gibt hier so viele Leute, die wirklich schwere Krankheitsverläufe haben und dennoch Familie und oder Arbeit haben und wahrscheinlich mehr Freude empfinden als ich es tue.

Warum mir das alles nicht gelingt, ist eine Frage. Die andere Frage wäre, wie und ob man trotz des Misslingens diese Traurigkeit über das ungelebte Leben überwinden oder zumindest abmildern kann. Ich freue mich einfach so, wenn ich mit Menschen lachen kann und Dinge lustig oder witzig sind und wenn man an den Dingen des Lebens teilnimmt. Deshalb ist es so schwer für mich, darauf zu verzichten.
Und auch den Rückhalt einer eigenen Familie, die gemeinsam Glück und Leid trägt, so etwas ist von so unschätzbarem Wert.

Es gibt Menschen, die leben ihre Träume. Ich dagegen träume mein Leben.

Ich möchte nicht so traurig sein.

mutabor

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