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MD, schlicht depressiv oder einfach nur Säufer? (sorry langer Text) (4 Antworten)

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Hallo beisammen,
ich stecke in einer ziemlichen Lebenskrise und meine Konzentration beschränkt sich auf wenige Stunden pro Tag.
Eigentlich bin ich ausschließlich damit beschäftig mich von morgens bis abends selbst zu analysieren. Schritt für Schritt das ganze Leben durchzugehen.Mich an negative oder sogar auch mal positive Momente zu erinnern. Mir ist eigentlich gerade ziemlich gleich was außen rum so passiert.
Ich wollte mal einen kurzen Abriss von meinem bisherigen Lebenswandel hier niederschreiben und fragen, wie sich das für Leute mit einer bipolaren Störung anhört.
Ich bin jetzt 33 Jahre alt aber die ganzen Probleme fingen schon mit 16 an - oder vielleicht noch früher. Ich war zu dieser Zeit extrem übergewichtig, die (Waldorf-)Schule war ein Albtraum, allerlei Mobbing stand natürlich auf Grund des Gewichts auf der Tagesordnung. Wann immer es möglich war, bin ich zuhause geblieben. Der Computer war mein Heiligtum. So ziemlich in allen Fächern habe Fünfen und Sechsen kassiert, lediglich im Kunstunterricht war es stehts eine Eins. Dann, als es gerade so möglich war, die Schulpflicht so haarscharf erfüllt war, habe ich alles abgebrochen und bin ausschließlich zuhause geblieben. Ich bin zum überzeugten Autodidakten geworden und habe von morgens bis abends gelernt. Damals lag mein Fokus auf Grafik und 3D-Animation. Ich hatte ziemlich großen Respekt bei einer Animationsfirma bekommen, hatte ganz gut verdient und war der, der immer die Projekte übernahm wo keiner mehr weiter wusste. Das ging dann so weit, dass ich über die aktuellen, meist technischen Probleme geträumt hatte und am nächsten Morgen die Lösung da war. Parallel zu der Arbeit habe ich angefangen zu saufen. Ich konnte so Tag und Nacht konzentriert vor dem Computer sitzen und tatsächlich noch was schaffen. Aber es ging nicht lange gut. Bei einem ziemlich schweren Projekt hab ich alles hingeschmissen und dann nur noch getrunken. Heute ist es mir fast ein Rätsel wie ich diese Zeit überlebt habe. Es waren immer 3 Flaschen Vodka und mehr, dazu extremes Übergewicht und Herzprobleme.
Dann gabs so einen Punkt, ich will jetzt nicht Nahtot-Erfahrung sagen, aber es war schon grenzwertig. Da hab ich den Entschluss gefasst es doch nochmal zu "probieren". Irgendwie hab ich es geschafft vom Alkohol loszukommen, ich weiß gar nicht mehr genau wie. Ich hatte jedenfalls das Glück auf Umwegen an Benzodiazepine ranzukommen und damals hatten die auch noch gut gewirkt. Ich bin dann quasi magersüchtig geworden. Bulemie war normal und ich hab mein Gewicht in recht kurzer Zeit von 120kg auf 65kg runtergekriegt. Sinn der ganzen Anstrengung - recht simpel, eine Freundin sollte her, möglichst sofort. Ich glaube sogar in der Zeit gar nicht mal komplett unattraktiv gewesen zu sein. Aber meine Schüchternheit und Soziophobie hat mir stehts einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich habe dann einige Jahre aktiv nur nach einer Freundin gesucht. Mit 25 hats dann endlich geklappt. Ein Kick von wenigen Monaten - dann direkt wieder Katastrophe. Sie musste weg, ich konnte nichts mit ihr anfangen. Mein einziges Ziel war, dass sie sich entlieben sollte, und es hat auch geklappt.
Zwischen drin nochmal eine Firma im Grafikbereich gegründet, nochmal 200% Energie gegeben - im Grunde eigentlich alles auch nur wieder wegen einer Frau, bzw Mitarbeiterin. Das hab ich dann auch alles wieder hingeschmissen, auch wieder Alkohol getrunken. Viele Suizidabsichten. Dann ein Kameramann-Studium angefangen und auch wieder halb abgebrochen.
Ich könnte eigentlich immer so weiter schreiben. Es gab so viele Tiefs und einige Hochs, ich kann sie nicht mehr alle rekonstruieren.
Also was ist heute los... Ich habe eigentlich keine ärztlichen Diagnosen. Vielleicht könnte ich noch irgendwo einen Zettel finden, wo Alkoholabusus und Vermutung auf Depression drauf steht.
Warum poste ich auf einem Bipolar-Forum? Es ist schwer zu sagen wo bei mir die richtige Manie je war. Ich kann den Begriff Manie einfach nicht mit "Euphorie" gleichsetzen. Ich fühl mich selten wie ein Superstar und die Zeiten in denen mich die Energie packt, werden immer kürzer und seltener. Also wenn man unbedingt diese Begriffsschleuderei braucht, dann habe ich nur Hypomanien.
Ich war auch mal ein Jahr lang bei einem Psychologen. Das einzige Positive was ich daraus gezogen habe - verdammt, das könnte ich auch. So entspannt dasitzen, gegen das Einschlafen zu kämpfen und plötzlich die Lösung des Problems parat zu haben: "Alkohol ist ungesund". Ich habe das auch wieder abgebrochen, man nenne mich arrogant oder eingebildet, es ist mir egal. Ich habe keinen Nutzen darin gesehen - der einzige Nutzen war, dass Angehörigen sich gefreut haben, in Hoffnung das was passiert.
Es fällt mir sehr schwer durch irgendwas Endorphine zu bekommen. Geld und Ruhm - es gibt mir keinen Kick, oder so minimal, das er nach wenigen Tagen wieder weg ist. Im Grunde bin ich sehr, sehr primitiv gestrickt. Wenn es mir mal halbwegs gut geht und ich mich bespielsweise auf ein filmisches Projekt einlasse, dann scanne ich den Raum erstmal ab. Dieser Moment entscheidet ob es ein gutes oder ein schlechtes Projekt wird. Es sollte eine interessante Frau vorhanden sein, Äußerlichkeiten spielen da ein untergeordnete Rolle. Ich glaube dass ich mir sogar speziell jene aussuche, die selbst einen psychischen Knacks weg haben. Mein Hirn läuft dann auf Hochtouren und es kommen viele Endorphine. Das Projekt an sich ist dann ziemlich nebensächlich, aber es wird dann meist trotzdem ganz ok. Es gibt dann nur noch ein Ziel, und das ist die Sympathie dieser Person zu erringen ohne in irgendeiner Form aufdringlich zu sein - ich lasse mir sehr ungern in die Karten gucken. Es kann sein, das man das als Manipulation ansehen könnte, aber ich versuche diese Person irgendwie zu analysieren, versuche teils charmant zu sein, teils unverschämt zu sein - je nachdem was gerade passend ist. Und es klappt tatsächlich ziemlich oft mit der Sympathie. Aber es gibt dann auch kein Nachspiel, und soll es auch nicht geben. Ich habe eine Freundin (allerdings Fernbeziehung), intelligent, künstlerisch-orientiert, schön und depressiv - ich kann mich im Grunde was das Thema angeht eigentlich nicht beklagen. Aber für mich ist es auch ein großes Problem jetzt eine Freundin zu haben, die alles will...Familie, schöne Wohnung, Kinder, gar Heirat - eine farbenfrohe Welt. Und trotzdem ich sie liebe, ich glaube die Hölle wird kommen. Über Jahre habe ich mein ganzes Leben an dieser Freundin orientiert - es hat mir viele Endorphine eingebracht, nur jetzt bin ich auf Null. Ich glaube es wird ein ganz schwerer Trott zum unausweichlichen Ende.
Wenn ich allein bin, trinke ich Alkohol- es ist das einzige, was mich irgendwie befriedigen kann, wenn sonst alles still ist. So kann ich ohne starke Depressionen zumindest vorübergehend den Tag bewältigen - es sind zumindest 16 Stunden die man wach sein muß. Um dem Alkohol den Kampf anzusagen habe ich mir zeitweise Baclofen "selbst verschrieben", aber schließlich war auch mein Hausarzt bereit es mir zu verschreiben- die Behandlung mit Baclofen ist in DE ja noch ziemlich umstritten. Es hat viele Monate gut gewirkt, nur jetzt in meiner aktuellen Krise laufen Baclofen und Alkohol parallel, was auch nicht so optimal ist...aber zumindest kommt es nicht zu einem Totalabsturz.
Ich bin mir wirklich total unsicher was ich als nächstes machen werde - ich könnte wahrscheinlich den alkohol wieder bekämpfen, es ist noch nicht so schlimm, dass es auswegslos wäre. Aber wofür überhaupt? Dafür, dass mir ein Arzt sagt - "Sehr gut, Nullkommanull Promille"
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube dass ich medikamentös ne ganze Menge mehr gebrauchen könnte. Baclofen zu bekommen war schon ein Kampf, Benzodiazepine überhaupt zu bekommen war immer ein Drama, da ich die immer mal wieder gebraucht habe - wegen Alkohol und auch wegen meiner Soziophobie und den daraus resultierenden Panikattaken - und immer wieder die gleiche Leier: Benzos sind schlecht, Alkohol ist schlecht. Ja, ich habe verstanden, seit 20 Jahren. Tatsächlich würde ich mir selbst keinen Benzodiazepin-Entzug wünschen, deswegen nehm ich ja auch selten welche - dennoch konnten sie mich aus manchen Situationen retten.
Ok, ich glaube, dass ich genug geschrieben habe.
Aber wie klingt das, was ich geschrieben habe? Ist es verworren, oder klingt es noch vernüftig? Erkennt sich igendwer in dem was ich geschrieben habe wieder?
Oder geht das ganze Schreiben wieder in ein tiefes Nichts.

Liebe Grüße
d

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