Hallo zusammen,
eins der vielen Themen, welche im Zusammenhang mit Bipolar als relevant angesehen werden, ist die frühe Kindheit mit ihren Prägungen. Ich weiß, dass viele sich schlicht an nichts aus dieser Zeit erinnern und also selbst zur empirischen Basis nichts beitragen können. Andere wieder meinen, Erinnerungen von der Geburt an zu haben oder gar aus dem Mutterleib oder aus früheren Leben. Bei mir ist es mehr die Mitte - ich habe einige wenige Erinnerungen aus dieser Zeit, die mit ca. 1,5 Jahren beginnen.
Ich schreibe das hierhin, um zum einen andere zu inspirieren, auch mal in dieser Zeit zu kramen - zum anderen, um die Frage in den Raum zu stellen, ob Gedanken und Gefühle aus der frühen Kindheit zur Entstehung der BS beitragen oder eher nicht.
Hier mein Bericht:
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Was zuvor geschah: Meine Eltern hatten geheiratet und mein Vater hatte eine gute Stelle in einer Stadt gefunden, die ca. 150 km von der Gegend entfernt ist, wo die beiden herstammten. Meine Mutter wäre gerne dort geblieben, weil sie sehr an ihrer Mutter und ihren 6 Geschwistern hing. Immerhin war die Wohnung, die sie fanden, dicht am Bahnhof und es gab sogar durchgehende Züge nach Hause. Nach einigen Monaten wurde ich geboren und meine Mutter bekam eine Wochenbettpsychose. Die Symptome, von denen ich weiß, waren, dass sie einige Wochen völlig außerstande war, sich um mich zu kümmern, so dass sie stationär und ich im Heim untergebracht wurde. Später, als sie wieder zurück war, sagte sie u.a. einem Arzt, dass sie mich für krank hielt, woraufhin der Arzt meinem Vater sagte, ich sei gesund aber leider meine Mutter nicht. Sie wurde damals meines Wissens mit Atosil behandelt. Linsenförmige, orange Pillen, ca. 4 mm Durchmesser, in einem braunen Glasröhrchen.
Meine allererste Erinnerung ist eine wiederkehrende. Ich kann mich noch gut sehen, wie ich in dem Gitterbett mit den elfenbeinfarbenen Stäbchen liege und auf die beige Tapete mit den abgerissenen Stücken (hat mein Sohn auch gemacht) schaue und mich darauf freue, bald herauszuklettern und ins Elternschlafzimmer zu gehen, um mich zwischen die beiden zu legen.
Dort angekommen, überfiel mich jedesmal umgehend ein unglaubliches Glücksgefühl. Davon möchte ich mehr, dachte ich mir.
Auch an den Wickeltisch erinnere ich mich. Drüber hing eine Lampe die ein bisschen wie ein umgedrehter Hut aussah. Eine gepolsterte Plastikmatte bedeckte das helle Holz. Ich lag rücklings drauf und hatte eine Erektion (wie ich heute weiß). Dran erinnern tue ich mich wohl, weil meine Mutter irgendwas dazu sagte - weiß aber nicht mehr, was. Kann sein, dass es war: Wird Zeit, dass Du trocken wirst.
Dann das erste Trauma: Ich war Anfang vier. Meine Eltern waren irgendwo eingeladen und brachten mich zu Bett mit der gleichzeitigen Ansage, das Haus verlassen zu wollen. Ich war nicht einverstanden und spielte krank, um sie zum Bleiben zu bewegen. Klappte nicht. Als sie weg waren, ging gar nichts mehr. Ich setzte mich ins offene Fenster (Erdgeschoss) und heulte nach draußen - gefühlt stundenlang. Wie es endete, weiß ich nicht mehr - ich glaube, die Vermieterin hatte einen Schlüssel und kümmerte sich. An den nächsten Tagen "schämte" ich mich sehr für mein Verhalten.
Zweites Trauma, ein paar Monate später. Es war Hochsommer. Mein Vater war nicht der spendabelste, aber an diesem Tag hatte er mir etwas mitgebracht: Einen wunderschönen aufblasbaren Schwimmring in Form eines Schwans. Los ging's zum Strand. Ich spielte glücklich mit meinem Schwan, es gibt auch ein Foto davon. Vater hat viele Bekannte, und auch am Strand waren welche davon. Vater ging hin, ich musste mit. Ich sagte noch, ich will den Schwan mitnehmen. Unsinn, sagte er, den sehen wir doch. Er laberte und laberte, und als wir endlich zurück gingen, war da kein Schwan mehr. Geklaut.
Diese Geschichte traf mich bis ins Mark. Ich war tagelang untröstlich. Ich hatte gesehen, wie böse die Welt sein kann. Vater war auch sehr aufgeregt und ein bisschen zerknirscht.
Kann sein, dass ich mir gerade deswegen später vornahm, auch gerne mal Täter sein zu wollen.
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Viele Grüße,
Roquentin
eins der vielen Themen, welche im Zusammenhang mit Bipolar als relevant angesehen werden, ist die frühe Kindheit mit ihren Prägungen. Ich weiß, dass viele sich schlicht an nichts aus dieser Zeit erinnern und also selbst zur empirischen Basis nichts beitragen können. Andere wieder meinen, Erinnerungen von der Geburt an zu haben oder gar aus dem Mutterleib oder aus früheren Leben. Bei mir ist es mehr die Mitte - ich habe einige wenige Erinnerungen aus dieser Zeit, die mit ca. 1,5 Jahren beginnen.
Ich schreibe das hierhin, um zum einen andere zu inspirieren, auch mal in dieser Zeit zu kramen - zum anderen, um die Frage in den Raum zu stellen, ob Gedanken und Gefühle aus der frühen Kindheit zur Entstehung der BS beitragen oder eher nicht.
Hier mein Bericht:
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Was zuvor geschah: Meine Eltern hatten geheiratet und mein Vater hatte eine gute Stelle in einer Stadt gefunden, die ca. 150 km von der Gegend entfernt ist, wo die beiden herstammten. Meine Mutter wäre gerne dort geblieben, weil sie sehr an ihrer Mutter und ihren 6 Geschwistern hing. Immerhin war die Wohnung, die sie fanden, dicht am Bahnhof und es gab sogar durchgehende Züge nach Hause. Nach einigen Monaten wurde ich geboren und meine Mutter bekam eine Wochenbettpsychose. Die Symptome, von denen ich weiß, waren, dass sie einige Wochen völlig außerstande war, sich um mich zu kümmern, so dass sie stationär und ich im Heim untergebracht wurde. Später, als sie wieder zurück war, sagte sie u.a. einem Arzt, dass sie mich für krank hielt, woraufhin der Arzt meinem Vater sagte, ich sei gesund aber leider meine Mutter nicht. Sie wurde damals meines Wissens mit Atosil behandelt. Linsenförmige, orange Pillen, ca. 4 mm Durchmesser, in einem braunen Glasröhrchen.
Meine allererste Erinnerung ist eine wiederkehrende. Ich kann mich noch gut sehen, wie ich in dem Gitterbett mit den elfenbeinfarbenen Stäbchen liege und auf die beige Tapete mit den abgerissenen Stücken (hat mein Sohn auch gemacht) schaue und mich darauf freue, bald herauszuklettern und ins Elternschlafzimmer zu gehen, um mich zwischen die beiden zu legen.
Dort angekommen, überfiel mich jedesmal umgehend ein unglaubliches Glücksgefühl. Davon möchte ich mehr, dachte ich mir.
Auch an den Wickeltisch erinnere ich mich. Drüber hing eine Lampe die ein bisschen wie ein umgedrehter Hut aussah. Eine gepolsterte Plastikmatte bedeckte das helle Holz. Ich lag rücklings drauf und hatte eine Erektion (wie ich heute weiß). Dran erinnern tue ich mich wohl, weil meine Mutter irgendwas dazu sagte - weiß aber nicht mehr, was. Kann sein, dass es war: Wird Zeit, dass Du trocken wirst.
Dann das erste Trauma: Ich war Anfang vier. Meine Eltern waren irgendwo eingeladen und brachten mich zu Bett mit der gleichzeitigen Ansage, das Haus verlassen zu wollen. Ich war nicht einverstanden und spielte krank, um sie zum Bleiben zu bewegen. Klappte nicht. Als sie weg waren, ging gar nichts mehr. Ich setzte mich ins offene Fenster (Erdgeschoss) und heulte nach draußen - gefühlt stundenlang. Wie es endete, weiß ich nicht mehr - ich glaube, die Vermieterin hatte einen Schlüssel und kümmerte sich. An den nächsten Tagen "schämte" ich mich sehr für mein Verhalten.
Zweites Trauma, ein paar Monate später. Es war Hochsommer. Mein Vater war nicht der spendabelste, aber an diesem Tag hatte er mir etwas mitgebracht: Einen wunderschönen aufblasbaren Schwimmring in Form eines Schwans. Los ging's zum Strand. Ich spielte glücklich mit meinem Schwan, es gibt auch ein Foto davon. Vater hat viele Bekannte, und auch am Strand waren welche davon. Vater ging hin, ich musste mit. Ich sagte noch, ich will den Schwan mitnehmen. Unsinn, sagte er, den sehen wir doch. Er laberte und laberte, und als wir endlich zurück gingen, war da kein Schwan mehr. Geklaut.
Diese Geschichte traf mich bis ins Mark. Ich war tagelang untröstlich. Ich hatte gesehen, wie böse die Welt sein kann. Vater war auch sehr aufgeregt und ein bisschen zerknirscht.
Kann sein, dass ich mir gerade deswegen später vornahm, auch gerne mal Täter sein zu wollen.
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Viele Grüße,
Roquentin