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Diagnose Bipolare Störung (3 Antworten)

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Hallo zusammen,

heute morgen brachte ich meinem aktuellen Psychtherapeuten für den Antrag auf PT von meinem Facharzt für Psychiatrie das entsprechende Gutachten. Neugierig wie ich bin, konnte ich es natürlich sein lassen, den Brief zu öffnen und das Gutachten durchzulesen. Die Diagnosen, narzistische Persönlichkeitsstörung, Internetsucht, Bipolare Störung etc. haben mich nicht wirklich schockiert, kannte ich zum größten Teil schon. Aber der Begriff BS war neu, hat mich irritiert und heute Nachmittag hatte ich dann Zeit, etwas zu recherchieren (vor allem wikipedia und das hier: [de.brainexplorer.org] ). Irgendwie hat es mir bei aller Abgeklärtheit ein wenig den Boden unter den Füßen weggezogen. Ehrlich gesagt bin ich sogar richtiggehend erschüttert.

Ich hole etwas weiter aus, um verständlich zu machen, warum ich mich hier äußere und einfach den Wunsch habe, hier vollständig fehl zu sein, und lasse eine kurze Beschreibung meines Lebens folgen. Sprich, in meinem Leben ist es teilweise so chaotisch zugegangen, daß alles mögliche an Diagnosen möglich ist und ich dann doch alles falsche auschließen möchte. Vielleicht gibt es gute Ratschläge, wo ich mir Gewißheit verschaffen kann.

45 Jahre bin ich mittlerweile alt, männlich und komme aus einem Elternhaus, in welchem beide Eltern extremen Alkoholmißbrauch betrieben. Mein Vater war gewalttätig, hat meine Mutter in die Prostitution geschickt, sie unter anderem nächtelang an der Wand stehen lassen, damit sie nicht schlafen kann. Sie hat eine Fraktur hinter der rechten Augenbraue, eine am linken Schulterblatt. Ich bin von fünf Kindern der dritte, aber als ältester groß geworden, weil eine ältere Schwester anfang der 70er Jahre vom Jugendamt aus der Familie rausgenommen wurde und irgendwohin wegkam (ich habe noch keine Suche durchgeführt, frage mich auch nach dem Sinn einer solchen, weil sie vermutlich extrem zu leiden hatte und ich nicht weiß, was ich da wirklich zu suchen, verloren habe), und ein älterer Bruder vermutlich am 28. Geburtstag meines Vaters (unter komischen Umständen) zu Tode kam.
Es gab zwei Heimaufenthalte, einen 1977 für einige Monate (wegen einer Op meiner Mutter; die Gebärmutter wurde entfernt) und einen längeren von 1982 bis 1987 (meine Mutter hatte es endlich geschafft, sich dauerhaft von meinem Vater zu trennen).
1987 kamen wir zum Vater und seiner zweiten Ehefrau in unseren Heimatort zurück, was ich sehr unterstützt hatte, was aber auch nicht wirklich gut ging. Mein Vater hatte sich für eine gewisse Zeit zu beherrschen gelernt, ließ seine Selbstkontrolle aber mehr und mehr locker. Ich verließ als zweiter den Haushalt (während meiner Abitursvorbereitungen 1989) nach meiner jüngeren Schwester, die ein Jahr vorher rausgeekelt worden war. Mein jüngerer Bruder verließ als letzter die Wohnung, das war dann 1991.
Zu meinem Vater möchte ich noch erwähnen, daß er in den 60ern mehrere Male wegen Körperverletztung und bandenmäßigen Einbruches einsaß und in den 70ern ebenfalls. Er war schon richtig skurill, trug heimlich Frauenbekleidung (auf dem Namen meines jüngeren Bruders Ende der 80er bestellt), hat mich beizeiten mal richtig abgestoßen mit der Bemerkung, daß es doch wohl möglich sei, in einem früheren Leben die Kaiserin (Pharaonin) von Ägypten gewesen zu sein (ich hatte das als auf ihn gemünzt interpretiert). 2003 ist er im Frühjahr (genaues Datum unbekannt) vereinsamt in der ehemals gemeinsamen Wohnung verstorben. Die Wohnung war runtergekommen, ein Neutapezieren nur mit dem Runterreißen der alten Tapete begonnen und er schon teilweise skelettiert. Sein Hund lebte noch und die Wohnung mußte umständlich chemisch gereinigt werden. Ich habe es ihm so ähnlich lange vorher schon gewünscht und auch Genugtuung empfunden.
Kurz zurück zu meinem eigenen Leben: 1989 habe ich das Abitur geschafft, die Höhere Handelsschule für Abiturienten ein Jahr später dann erfolgreich abgeschlossen. 1992 dann eine kaufmännische Ausbildung mit Erfolg beendet, von 93 auf 94 Zivildienst geleistet, vor und nach dem Zivildienst als kaufmännischer Angestellter gearbeitet.
Mit dem erfolglosen Studium der Psychologie beginnt dann das Chaos so richtig, in diesen Zeitraum fällt meine letzte Beziehung. Danach erfolgen eine erfolglose Umschulung, mehrere berufliche und medizinische Rehabilitationen.

- als Kind habe ich eigentlich nur in einer Art Blase gelebt
- akustische Fehlwahrnehmungen leichter Art (ab und zu habe ich meinen Namen in der Umwelt gehört)
- ich habe Schlafstörungen seit ich zehn bin
- ich lese suchtartig seit ich vielleicht zehn bin, die ersten Bücher bekam ich so mit acht ungefähr
- ungefähr seit ich 13 bin habe ich Tinnitus, bis hin zu extremem Ausmaß (unterschiedliches Rauschen, unterschiedliche Piepstöne). Ich bin quasi mit Tinnitus groß geworden, man könnte sagen, man gewöhnt sich an alles: vor wenigen Jahren hatte ich aber eine Attacke, die so heftig war, daß ich dachte, jetzt geht es nicht mehr.
- ich habe einen extrem unregelmäßigen Schlaf, ich schlafe nur gut ein, wenn ich extrem erschöpft bin, gut durchgeschlafen habe ich nur, als ich stark geraucht habe (mache ich schon seit 16 Jahren mit einer längeren Unterbrechung nicht mehr), wache zwischendurch auf, und liege teilweise schon sehr früh wach
- ich habe teilweise extrem getrunken (schon sehr lange nicht mehr, ein, zwei Bier im Monat noch)
- ich war teilweise extrem wagemutig, eher als Kind und als Jugendlicher
- teilweise extrem promisk (homosexuell) - bis Ende 1998 (der Beginn meiner letzten Beziehung)
- ich kenne Wutgefühle bis hin zu "Es wird schwarz in meinem Kopf" und ich möchte alles kurz und klein hauen
- gerade beim Spielen (erst standalone - ab 2003, später online - ab 2009) hatte ich extremste Wutgefühle

Kurz in eine andere Richtung gedacht:

- ich kenne so eine Art "messianisches Sendungsbewußtsein" seit ich ungefähr zwölf bin. Als die Trennung meiner Eltern erfolgte gab es vor dem Puff im Nachbarort eine Situation, in der mein Vater uns drei Kinder mitgenommen hatte, um unsere Mutter zur Rückkehr zu bewegen
- ich wollte schon immer irgendwie mehr sein, als ich sein konnte - obwohl ich immer sehr zurückhaltend und vorsichtig war :), aufdringlich konnte ich nie sein
- als Jugendlicher hatte ich für mich gelernt und drauf geachtet, Alkohol nicht zur psychischen Erleichterung einzusetzen
- ich habe bei meinen teilweise extrem häufigen Ipsationen immer darauf geachtet, diese nicht mit Gewaltphantasien zu verknüpfen (komischerweise war mir schon als Jugendlicher klar, daß ich das nicht möchte)
- meine erste Langzeitpsychotherapie hatte ich von 1988 bis 1993 (mit zwei längeren Unterbrechungen; die erste wegen der Änderung der Abrechung von Beratungsstelle auf Krankenkasse, die zweite wegen einer Erkrankung der Therapeutin)
- dann gab es verschiedene Versuche, Studentenberatungsstelle usw.; eine tiefenpsychologisch fundierte 2008, die ich recht lange mitgemacht hatte
- und jetzt gerade habe ich eine Schema-Therapie angefangen

Ich möchte in ein regelmäßiges Leben, habe eine Wohnbetreuung seit vielleicht acht Jahren und das erste mal seit langem sieht meine Wohnung nicht mehr nur wie ein Schweinestall aus, ich habe vergangen Freitag einen Mini-Job auf 450€-Basis angefangen und ich möchte vorankommen; Ideen in Welt setzen, selber entwickeln, was auch immer. Ich bin 45 Jahre alt und möchte nicht einfach nur noch im Stillstand verharren. Dieser Begriff "Bipolare Störung" ätzt mich im Augenblick so sehr an, und ich kann es gut verstehen, wenn ich mit meiner Ablehnung meinerseits Ablehnung hervorrufe.
Komischerweise habe ich mit 19 schon meine Stimmungsentwicklung als Kurve beschrieben, sechs Wochen Konsolidierung, dann sechs Wochen Depression und so ähnlich. Ich kenne den Wunsch nach Größe absolut gut, weiß, was übermäßige Zerstörungsphantasien sind und so weiter. Auf der anderen Seite war Selbstkontrolle immer auf das Äußerste wichtig für mich. Bei allem Suff bin ich nur zweimal zur Ausnüchterung nicht in meinem eigenen Bett wachgeworden.

Was kann ich jetzt machen und wie erlange ich Gewißheit, ich meine, man muß ja schon tief in das Gehirn reinschauen (biochemische Grundlagen abchecken). Es macht mich mutlos, seit 2004 nehme ich HIV-Medikamente (eine Infektion kann nur 2003 erfolgt sein, aber der Ausbruch war so heftig, inklusive opportunistischer Erkrankungen, daß man meinte, ich müßte den Virus schon zehn Jahre und länger gehabt haben, ich dieses aber auf Grund regelmäßiger Testungen - immer zeitlich zur Herbstdepression - ausschließe). 2010 habe ich es mit Risperdal versucht, hatte mir ein Arzt gegen meine Schlaflosigkeit untergejubelt - aber ich habe kein Problem mit psychotischen Schüben (hat mir vielleicht mein Bedürfnis nach Selbstkontrolle verboten). Seit letztem Jahr nehme ich Valproat tatsächlich zur Stimmungsstabilisierung.
Ach menno, im Moment habe ich nicht das Gefühl, mir sei zu helfen, und so oder so danke ich jedem für seine Aufmerksamkeit und Geduld (bei der Vorschau sah ich gerade, daß es schon etwas lang ist, mein Text). Was kann, was sollte ich machen, um Gewißheit zu erhalten?

P.S.: Mein Nick bezieht sich auf eine der Hauptfiguren im Homanx-Zyklus von Alan Dean Foster. Flinx, ein junger Mann auf der Suche nach seiner Herkunft, nach menschlichen Beziehungen und menschlicher Wärme (meine übersteigerte Wahrnehmung und Interpretation) und viel Zerstörungspotenzial in seinem unberechenbaren Möglichkeitenraum, lese ich seit 1988 immer mal wieder.

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