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ich will mich nicht mehr rechtfertigen für das, was ich tue und bin (8 Antworten)

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Ich bin einfach ich, mit Fehlern und Macken und mit Stärken und Talenten. Vieles habe ich mir (nicht) ausgesucht, zum Teil verstehe ich es, zum Teil auch nicht. Den Mann habe ich mir ausgesucht, das ist der Teil, den ich verstehe. Die Eltern habe ich mir nicht ausgesucht, auch das verstehe ich. Zum Teil habe ich mit Leuten zu tun, die nicht verstehen, warum ich nicht bereit bin, gegen mein Übergewicht anzukämpfen. Neuerdings habe ich eine neue Antwort darauf: Ich führe ein schweres Leben. Da man das nur schwer ertragen kann, würde ich als Leichtgewicht darunter zusammenbrechen. Habe ich auch schon auf der Titelseite meiner Homepage geschrieben.

Versucht habe ich es, ja, beim Versuchen ist es geblieben, und ich kenne die Gründe, warum man nicht durchhält, irgendwann weiß man, egal was man probiert: Es geht doch wieder nach hinten los. Meine Nichte hat es noch schwerer als ich, die ist erst 30 und hat schon einen BMI über 45. Sie wird nicht verbeamtet und sagt, der Unterschied zur Verbeamtung liegt bei 900 € netto. Alles nur wegen dem Übergewicht.

Wenn ich dann sehe, sie war auch mal in einer Klinik, und hat genau wie immer den Jojo-Effekt davon, will ich nicht mehr rein. Ich sage inzwischen: Ich bin nun mal schwer, ich habe es schwer, aber es gibt immer Hilfsmittel. Dafür bin ich nicht so eingebildet und herablassend wie manche Schlanken, die sich einbilden, sie seien was Besseres.

Viele Chancen habe ich verstreichen lassen und nicht zum richtigen Zeitpunkt ergriffen, weil ich glaubte, das Wichtigste ist Arbeit zu haben und die Wohnung bezahlen zu können. Klingt eigentlich auch vernünftig, dafür habe ich das Abitur fallen lassen. Existenz ist nun mal wichtiger. Okay, ich fasse zusammen: Ich hatte Arbeit in einem Beruf, den ich den Eltern zuliebe ergriffen hatte. Diäten hielt ich grundsätzlich nicht länger als 3-5 Monate durch und wurde hinterher noch fetter. OK das Schicksal teile ich mit zahlreichen Dicken, dann bin ich eben schwer, mein Leben war auch schwer.

Wieso nur habe ich das Gefühl, ich muss mich für das, was ich tue oder nicht tue, rechtfertigen? Als Autorin durchzustarten, habe ich versucht, erst mal mit Gedichten an die Zeitung schreiben, dann auch ganz viele Kopien an Verlagshäuser schicken, die alle wieder zurück kamen mit dem Vermerk: "Sie finden bestimmt einen Verlag, der Ihre Gedichte druckt." Habe ich aber nicht gefunden und schreibe jetzt bei BOD.

Das mit dem Singen ging anfangs auch furchtbar auf die Zähne. Aber so hört es sich an, wenn man keinen Gesangsunterricht hatte und quasi noch nie im Chor gesungen hat. Zum Glück bin ich auch da am Ball geblieben. Hätte ich aufgehört zu singen und den Text eingeblendet, würde ich wirklich nie besser werden.

Okay das bin eben ich. Dafür muss ich mich nicht rechtfertigen oder mir anhören, dass ich beim kleinsten Widerstand aufgebe. Wäre das so, würde ich nicht mehr leben, und ich wäre verdammt lange schon tot. Die Kindheit war der Horror, ich bin aber froh, überlebt zu haben. Ich bereue nur, nicht einfach mal abgehauen zu sein oder geschwänzt zu haben. Von Anfang an dachte ich: Das soll nicht umsonst gewesen sein. Dafür irgendwo tot aufgefunden zu werden, wenn es nur ganz wenig Gedichte gibt, die ich hinterlasse, und die vielleicht niemanden interessieren, das ist es mir nicht wert, in eine völlig unbekannte Zukunft zu sausen, ja in eine Daseinsform, von der man so gut wie nichts weiß.

Ich denke immer noch so: Ich habe eine Ahnung, wie es hier weiter geht, wenn irgendwas schief läuft. Aber ich habe keine Ahnung, wie es nach dem Leben weiter geht. Um das Ganze weg zu schmeißen, braucht es mehr als Verzweiflung, da müssen furchtbare Schmerzen oder Ähnliches dazu kommen.

Mein Leben ist nicht perfekt, mein Körper ist nicht perfekt, aber es ist alles meins, es sind meine Erfahrungen, meine Fähigkeiten, meine Einstellungen, meine Fehler, meine Erfolge. Welche Erfolge? Nun, für den einen ist es ein Erfolg, die Lehrabschlussprüfung zu bestehen, und für den oder jemand anders ist es ein Erfolg, den Führerschein zu haben und innerhalb von 29 Jahren nicht abgegeben zu haben. Dann sind es Erfolge, dass die Lieder besser werden und die Kritiken bei Magix auch.

Auch in Zukunft werde ich mich nicht mehr rechtfertigen für irgendwelche Fehler oder Versäumnisse, die macht schließlich jeder, und Fehler sind dazu da, gemacht zu werden.

Es ist im Alltag nicht oft so, dass ich das Gefühl habe, mich rechtfertigen zu müssen, weil irgendwas nicht klappt. Das habe ich eher im Netz. Weil eigentlich keiner weiß, wer schreibt mir da. Was ist das für ein Mensch. Man sieht nur, was geschrieben wird, man sieht kein Gesicht. Würde man die Leute wirklich sehen, mit denen man virtuell zu tun hat, manches Mal würde man woanders hin klicken oder das Forum verlassen. Oft will ich auch gar nicht wissen, wie sieht der/diejenige aus. Geht sicher Vielen ähnlich.

Nun gut, eins ist klar: Jeder hat so ein Laster oder irgendein Geheimnis, und immer gibt es viele Menschen, die das nicht verstehen. Würde ich einen Alkoholiker verstehen, der sich vorzugsweise Rum einverleibt? Würde ich einen Borderliner verstehen, der sich jeden Tag ritzt? Würden normale Menschen einen Messie verstehen? - Also, die Welt ist bunt. So verschieden die einzelnen Formen der Bipolaren Störung sind, so verschieden sind die einzelnen Persönlichkeiten. Wir müssen sie nicht verstehen, Akzeptanz reicht völlig aus.

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